Georgische Unabhängigkeit: Ära von Eduard Schewardnadse in Georgien

Nach den ersten unruhigen Jahren der Unabhängigkeit Georgiens kehrte in den folgenden Jahren der Regierungszeit von Eduard Schewardnadse ein wenig Ruhe ein. Die wirtschaftliche Lage in Georgien war zwar von Arbeitslosigkeit, Armut der normalen Bevölkerung, Stromabschaltungen und Korruption geprägt, es gab aber über mehrere Jahre hinweg keine militärischen Konflikte mehr innerhalb des Landes. Zudem steuerte Schewardnadse Georgien in Richtung Westen. 

Für Schewardnadse selber galt die Zeit der abnehmenden Gewalt nur eingeschränkt. Im August 1995 gab es ein Bombenattentat auf seinen Wagen. Er überlebte mit leichten Verletzungen. Schewardnadse schob die Verantwortung für das Attentat den früher mit ihm verbündeten paramilitärischen Verbänden zu. Er ließ deren Führer Dschaba Iosseliani verhaften. Die paramilitärische Miliz Sakartwelos Mchedrioni (georgische Ritter) wurde für aufgelöst erklärt. Viele paramilitärische Kämpfer mussten ihre Waffen abgeben. Als Folge dieser Entwaffnung gab in den kommenden Jahren in Georgien erheblich weniger bewaffnete Konflikte. 

Im Oktober 1995 stimmte die Bevölkerung in Georgien in einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung ab. Diese hatte einen modernen westlichen Charakter und garantierte Menschenrechte sowie die Staatsform einer Demokratie. Im November 1995 errang Schewardnadse bei den Präsidentschaftswahlen in Georgien 70% der Stimmen. 

Außenpolitik

Schewardnadse schlug außenpolitisch einen westlichen Kurs ein. Er orientierte sich in Richtung Europa und USA. Die USA wurden zum wichtigsten Geldgeber für Georgien. Er strebte einen Beitritt zur NATO an, der zwar auch rund zwei Jahrzehnte später nicht vollzogen ist, dafür gibt es enge Beziehungen zwischen den georgischen Streitkräften und der NATO. Als Folge des 11. September 2001 begannen die USA ein Ausbildungsprogramm für die georgischen Streitkräfte im Kampf gegen den Terrorismus. Später erwuchs daraus ein Kontingent von mehreren Tausend Soldaten aus Georgien, die bei Friedenstruppen in Afghanistan oder dem Irak Dienst tun. Oft werden diese Soldaten in Deutschland auf ihren Einsatz vorbereitet. 

Konflikte gab es immer wieder mit Russland. Wie schon in früheren Jahrhunderten nutzte Moskau die abtrünnigen Teilrepubliken in Georgien, um die Macht der Zentralregierung in Tbilissi zu beschneiden. Ein weiteres Faustpfand Russlands waren die russischen Militärbasen in Batumi und Achalkalaki, von denen eine ständige Gefahr für Georgien ausging. Die Basen in Wasiani und Gudauta hingegen wurden 2002 aufgelöst. 

Das größte wirtschaftliche Projekt aus der Ära Schewardnadse hat sein Nachfolger Saakaschwili fertiggestellt: Die Ölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC). Diese wurde geplant, um Öl aus Aserbaidschan in den Westen exportieren zu können. Mit der Trasse durch Georgien sollten unsichere Staaten wie Russland und der Iran gemieden werden. 

Innenpolitik

Schewardnadse war in der Sowjetunion groß geworden und setzte die dort erlernten politischen Techniken auch nach dem Ende des Staatengebildes weiter fort. Nach seiner Wahl 1995 besetzte er wichtige Posten in der Regierung mit Vertretern der früheren Nomenklatura. Reformer erhielten weniger bedeutende Stellungen. Das Staatseigentum wurde zu billigen Preisen an die Vertreter der Nomenklatura verkauft. Um Schewardnadse herum bildeten sich mafiöse Strukturen aus. 

Für Bevölkerung und Wirtschaft bedeutete dies, dass es einen Aufschwung in Georgien nicht gab. Die Straßen verfielen, öffentliche Gebäude, zum Teil durch den Bürgerkrieg in Mitleidenschaft gezogen, wurden nicht instand gesetzt. Viele Menschen wurden arbeitslos. Die Krankenversorgung und das Gesundheitswesen funktionierten nicht mehr richtig. Zum täglichen Ablauf in Georgien gehörten Stromsperren. An vielen Straßen standen Polizisten, die willkürlich Autofahrer anhielten und Schmiergelder für erfundene angebliche Vergehen forderten. 

Zugleich bereicherte sich die Elite. Schewardnadse selber gab bei einer Volkszählung an, nur 400 Lari im Monat zu verdienen. Seine Ehefrau sagte im Fernsehen, eine gute georgische Hausfrau könne ihre Familie mit weniger als 50 Lari (knapp 20 Euro) einen ganzen Monat lang satt bekommen. Der Bürgermeister von Tbilissi, Micheil Saakaschwili, wetterte gegen die regierende Schicht und gegen die Paläste, die sich diese mit durch Korruption erlangten Geldern bauen ließen. Saakaschwili selber errichtete sich in Tbilissi und Borjomi selbst später erheblich teurere Bauten. 

Als Folge der grassierenden Korruption in Georgien stellte der Internationale Währungsfonds im Jahr 2003 die Zahlungen ins Land ein. Grund dafür war ein unordentlicher Staatshaushalt. 

Für die Bevölkerung bedeutete die permanente Wirtschaftskrise in Georgien Armut und geringe Chancen auf Besserung. Hatte Georgien am Ende der Sowjetunion noch rund 5,5 Millionen Einwohner, so ging diese Zahl in der Ära Schewardnadse auf rund 4,4 Millionen zurück. Rund eine Millionen Georgier und Georgierinnen gingen ins Ausland, um dort Geld zu verdienen und ihre Familien in der Heimat zu unterstützen. 

Zu einer Krise der Regierung Schewardnadse kam es im Herbst 2001 bei Auseinandersetzungen um den Fernsehsender Rustawi 2. Dieser berichtete seinerzeit kritisch über die Arbeit der Regierung. Schewardnadse ließ den Sender stürmen. Dagegen regte sich Widerstand. Bei einer Demonstration brachte Saakaschwili, früher Weggenosse von Schewardnadse, rund 5.000 Menschen auf die Straße. Der Sender konnte weiter arbeiten. Schewardnadse opferte Innenminister und Geheimdienstchef. Rustawi 2 wurde später zum Propagandasender von Saakaschwili und der Nationalen Bewegung. Der Sender fällt durch Fake News, falsch dargestellte Inhalte und erfundene Meldungen auf. 

Schewardnadses Macht begann zu erodieren. Auch die regierende Bürgerbewegung, auf die er sich bislang stützte, zerfiel. Eine gefälschte Wahl im November 2003 sollte dann wieder Klarheit schaffen. 

Rosenrevolution

Am 2. November 2003 gab es Wahlen zu einem neuen Parlament in Georgien. Bei der Wahl verließ sich Schewardnadse auf die bewährten Taktiken mit bereits gefüllten Wahlurnen, Gewalt gegen Wahlbeobachter und Bussen mit willigen Anhängern, die in mehreren Wahllokalen ihre Stimme abgaben. Die Auszählung der Stimmen geriet dann zur Farce. Innerhalb von drei Wochen gelang es nicht, die Stimmen komplett auszuzählen. Vor allem in der autonomen Region Adscharien blieb der Anzeiger der Statistik über fast drei Wochen hinweg immer bei einem Stand unter 100%. Drei Wochen nach der Wahl lief die Frist ab, in der ein neu gewähltes Parlament zusammentreten musste, wie es in der georgischen Verfassung vorgesehen war. 

Schewardnadse setzte daher den Termin zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments für den 22. November 2003 an. Ausländische Wahlbeobachter hatten zuvor Wahlbetrug attestiert. Auch der Sicherheitschef Georgiens gab am 21. November 2003 zu, dass man bei der Wahl betrogen hatte. 

Am 22. November versammelten sich rund 100.000 Demonstranten vor dem Parlament, um gegen die Wahlfälschungen zu demonstrieren. Das Parlament sollte zur konstituierenden Sitzung zusammentreten, die Opposition boykottierte diese Sitzung. Schewardnadse wollte die Sitzung eröffnen, als Saakaschwili den Saal stürmte. Schewardnadse wurde von Sicherheitsleuten weggebracht, Saakaschwili ergriff das Mikrofon und die Macht. All dies wurde vom Sender Rustawi 2 in einer Liveschaltung mit CNN weltweit übertragen. 

In den Monaten zuvor hatten sich mit Saakaschwili, Surab Schwania und Nino Burdshanadse drei Politiker der Opposition etabliert, die nun nach der Macht griffen. Parlamentspräsidentin Nino Burdshanadse wurde nun kommissarisch als Präsidentin eingesetzt. 

Am 23. November 2003 gab es Verhandlungen auf diplomatischer Ebene, an denen sich auch Russland beteiligte. Russland stellte wegen der Militärbasen in Batumi und Achalkalaki weiterhin einen Bedrohung für Georgien dar. Nach mehreren Stunden, in denen die Lage in Tbilissi auf der Kippe stand, erklärte Schewardnadse seinen Rücktritt. Damit war der erste Machtwechsel in Georgien ohne Blutvergießen vollzogen. 

Demonstranten hatten während der Demonstrationen Rosen an die Sicherheitskräfte verteilt, um die Lage zu deeskalieren. Der Machtwechsel, wegen des friedlichen Verlaufs zuerst samtene Revolution getauft, erhielt später den Namen Rosenrevolution und wurde von der Regierung Saakaschwili heroisiert.