Heinrich Scharrer: Direktor des Botanischen Garten in Tbilissi
Auf Heinrich Scharrer geht das wahrscheinlich größte deutsche Erbe in Georgien zurück, jedenfalls was die Fläche angeht: Der Botanische Garten in Tbilissi.
Studium und erste berufliche Schritte
Scharrer wurde am 21. Juli 1828 in Magdeburg geboren. Er studierte in Göttingen und wurde zu einem Botaniker sowie zum Landschaftsarchitekten. Nach dem Studium züchtete er Pflanzen im Wildpark Potsdam, wechselte dann zu einer Stelle als Verwalter der Hofgärtnerei des Fürsten zu Stolberg-Wernigerode. In dieser Zeit arbeitete Scharrer auch für den Professor Karl Koch in Berlin, für den er Zeichnungen von Pflanzen anfertigte. Dieser Kontakt sollte sich für Scharrer als sehr förderlich erweisen.
Deutsche Aufbauhilfe für Georgien
Ende der 1850er Jahre hatte das russische Zarenreich die Annektierung Georgiens abgeschlossen und ging daran, Tbilissi zum Verwaltungszentrum des gesamten Kaukasus auszubauen. Die Zarin Katharina hatte wenige Jahrzehnte zuvor deutsche Siedler ermutigt, sich im Zarenreich niederzulassen. 1844 waren schwäbische Siedler nach Georgien gekommen und hatten sich in Erwartung einer Rückkehr von Jesus sowie der Enttäuschung über die fehlende Rückkehr niedergelassen. Tbilissi, Jahrzehnte zuvor von den Persern noch in Schutt und Asche gelegt, erlebte nun einen städtebaulichen Boom, an dem auch Architekten aus Deutschland ihren Anteil hatten.
Um einen Teil dieser Aufgaben bewältigen zu können, schickte der Stadthalter von Tbilissi einen Abgesandten zu Koch. Dieser erinnerte sich an Scharrer. Und dieser, in Wernigerrode tätig, zögerte nicht, die neue Stelle anzunehmen.
54 Tage für die Reise nach Tbilissi
Im September 1859 machte sich Scharrer auf die Reise nach Georgien, die mit Eisenbahn und mehreren Schiffspassagen, auch an der Küste des Schwarzen Meeres entlang, insgesamt 54 Tage dauerte. Dann passierte etwas, was vielen Menschen in Georgien passiert: Scharrer war von der Landschaft begeistert.
Der Alexanderpark als erstes Projekt
Seine erste Wohnung hatte Scharrer im damaligen Palast des Statthalters von Tbilissi, dem heutigen Jugendpalast am Rustaweli-Prospekt. Natürlich sah Tbilissi seinerzeit nicht so aus wie heute. Das Gelände zwischen dem Rustaweli-Prospekt und dem Mtkwari war nicht bebaut, sondern dort befand sich der Alexanderplatz, ein Exerzierplatz für das Militär. Weiter zum Fluss hin gab es Gruben für den Abbau von Ton für Ziegeleien und ein zerklüftetes Ufer. Für dieses Gelände sollte Scharrer nun einen öffentlichen Park planen.
Dabei teilte Scharrer sich die Arbeit mit dem Architekten Otto Jacob Simonson. Es wird vermutet, dass Simonson die Pläne für die Bauten zeichnete, während Scharrer den Part als Landschaftsarchitekt übernahm. Mit diesem Projekt hatte Scharrer nun die kommenden vier Jahre ausreichend zu tun.
Die Bäume für den entstehenden Park suchte sich Scharrer in einer Baumschule in Kodjori aus, die von dem Deutschen Gustav Vieweg geführt wurde. Dies hatte noch eine andere Folge für Scharrer: Er lernte die Nichte des Chefs kennen, die später zu seiner Frau wurde. Die Hochzeit verlief anders als geplant, denn der neue Statthalter von Tbilissi genehmigte Scharrer zur Hochzeit wegen der Bauarbeiten keinen Heimaturlaub, so dass beide dann in Tbilissi heirateten. Beide wurden in der evangelischen Kirche in Tbilissi getraut.
Im Sommer 1863 waren die Bauarbeiten beendet und der Alexanderpark wurde eröffnet. Mit diesem Park begann die Gestaltung von Tbilissi nach europäischen Standards – ein Begriff, der auch im 21. Jahrhundert bei Bauvorhaben in Georgien oft die Runde macht. Für Scharrer bedeutete die Gestaltung des Alexanderparks einen Karrieresprung, denn schon während der Bauarbeiten war der Park Gegenstand positiver Berichterstattung in den damaligen Medien und kam auch bei der Führungsschicht in Tbilissi gut an.
Öffentlicher Park für Borjomi
Nach diesem Projekt gab es neue Projekte für Scharrer. In Borjomi legte er einen öffentlichen Park an. Er reiste durch Georgien und lernte Landwirtschaft sowie Weinanbau näher kennen. In Kutaissi gab es einen Mustergarten zur Ausbildung in der Landwirtschaft, der nicht wie erwartet funktionierte. Scharrer arbeitete daraufhin ein neues Konzept für die Schule aus.
Direktor des Botanischen Gartens in Tbilissi
Im Jahr 1861 wurde Scharrer Direktor des Botanischen Gartens in Tbilissi. Dieser war nach einem Erdbeben südlich der Narikala-Festung angelegt worden. Scharrer lies den Botanischen Garten von 1861 bis 1869 erweitern. Ab 1871 lies er Gewächshäuser anlegen. 1886 errichtete er das Botanische Museum. Um das Überleben von Pflanzen zu sichern, richtete er den ersten Samenkatalog des Gartens ein.
Ruhestand in Deutschland
1889 ging Scharrer in den Ruhestand. Adolf Christian Roloff übernahm die Leitung des Botanischen Gartens. Nach mehreren Jahrzehnten in Tbilissi zog die Familie Scharrer zur Tochter in Crossen an der Oder, wo deren Mann als Kunst- und Handelsgärtner tätig war. Scharrer hatte sich in seiner Zeit in Tbilissi an die Lebensumstände angepasst und richtete mit seiner Frau in seiner Wohnung ein kaukasisches Zimmer ein. Am 24. September 1906 starb er dort.