Hotels und Aufkleber: Spuren georgischer Politik in Tbilissi

Bei dieser Reise nach Georgien galt mein Interesse vor allem den Dingen, die sich in den letzten vier Jahren im Land verändert haben, seitdem ich nicht mehr physisch vor Ort war.

Wir fahren in die Innenstadt von Tbilisi. Die Metro wurde in den letzten Jahren renoviert. Neue Stationen, aufgearbeitete Wagen. Ich steige in einen solchen ein. Die Sitze sind ausgetauscht, statt der Sitzbänke gibt es nun Einzelsitze. Die Wagen sind weiß gestrichen und Werbung gibt es hier auch keine. Die Technik dahinter, die Türen und das Fahrgestell, sind noch die alten. Wie in Borjomi: Es kommt auf die Fassade an. Dafür hat der alte Mann, der mit Betteln seine Rente aufstockt, weniger Fassade. Ich stecke ihm einen Lari zu. Das ist ungefähr die Hälfte dessen, was er am Tag an Rente bekommt. Und reicht für ein halbes Brot.

Metro Tbilissi mit schnellen Rolltreppen und Kunst

Was bei den Stationen der Metro auffällt: Die Rolltreppen sind die alten, und wenn man die Geschwindigkeit der KVB in Köln gewohnt ist, droht man erst einmal das Gleichgewicht zu verlieren. Ich brauche einige Fahrten, bis das mit der Rolltreppe wieder klappt. Neu hingegen sind Flachbildfernseher, die Werbebotschaften an den Mann und der Frau bringen sollen. Unter dem Platz der Freiheit, wo sich nun eine Fontäne in die Luft erhebt, prangt ein geschmackvolles Kunstwerk, dass an die „Rosenrevolution“ erinnern soll.

Hotel nun ohne Flüchtlinge

Nach dem Aussteigen am Rustaweli-Prospekt führt mich der erste Weg zum früheren Hotel „Iberia“. Dieses war jahrelang von Flüchtlingen auf dem Krieg in den 1990er Jahren auf der abtrünnigen Teilrepublik Abchasien bewohnt. Diese wurden herausgetrieben, das alte Hotel kernsaniert. Nun passt der Bau in die Bauwut des 21. Jahrhunderts.

Wenn man sich umdreht, sah man früher „Andropows Ohren“, eine Reihe von Bögen, vor denen die Führer der SSR Georgien zu Feiertagen Aufstellung nahmen. Bei meinem letzten Besuch vor vier Jahren wurden die Ohren abgerissen. Nun prangt dort eine große Baugrube.

Spuren von Politik und Demonstrationen

Wenn man den Rustaweli-Prospekt heruntergeht, fallen die gelben Busse auf. Die alten Busse mit Oberleitungen fahren hier nicht mehr. Dafür sind ein paar Haltestellen eingerichtet, an denen die gelben Busse halten.

Direkt hinter der Metrostation kann man sich mit Souvenirs eindecken. Meine Frau fragt nach dem Preis einer Kette. Er sagt, sie habe ja schon eine und weigert sich, den Preis zu nennen, dreht uns den Rücken zu. Kundenkontakte sollten anders aussehen.

Weniger Spuren von Sowjetunion

Der Rustaweli-Prospekt zeigt einige Leerstände. Ungefähr jedes dritte Ladenlokal steht leer. Der Buchladen, in dem wir uns früher mit Büchern eingedeckt haben, in dem ich deutsche Ausgaben georgischer Autoren gefunden habe, gibt es nicht mehr.

Über Jahrzehnte hinweg war das Laridze-Wasser einer der wichtigsten Tipps, die man Touristen bei einem Besuch in Tbilisi mit auf den Weg gab. Dieses traditionelle Geschäft steht nun leer.

Ein Geschäft bietet viele neue Waschmaschinen und Kühlschränke an. Ich werfe einen kurzen Blick hinein. Kunden? Fehlanzeige. Wird hier Geld gewaschen? Kurz vor dem Freiheitsplatz sammelt sich eine Menschentraube jüngerer Menschen vor einer neuen Staffel von GeoStar, der georgischen Ausgabe von „Irgendwer sucht den Superstar.“

An vielen der leerstehenden Ladenlokale kleben Flugzettel und Plakate. Spuren der Politik und der Demonstrationen aus der jüngeren georgischen Vergangenheit. Es sind Überreste der mehr als drei Monate anhaltenden Proteste gegen die georgische Regierung. Einer der Zettel weißt auf einen Mitarbeiter des Patriarchats hin, der mutmaßlich von Polizisten ermordet wurde. Der Fall ist nicht aufgeklärt worden. Die Zellen, die hier drei Monate lang standen, sind mittlerweile abgebaut.

Übersicht aller Reiseberichte 2009

Hier kommen Sie zur Übersicht aller Reiseberichte 2009