McDonalds und Marschrutkas

Auf der Rüttelpiste zum Kloster Schiomgwime

Der Sonntag macht seinem Namen alle Ehre. Und erinnert mich daran, daß Georgien einige Breitengrade südlicher liegt als Deutschland und manche Pflanzen früher blühen als gewohnt - meine Augen jucken und die Nase läuft. Wer unter Heuschnupfen leidet, sollte die üblichen Medikamente nicht vergessen. Wir erweitern unser Besuchsprogramm und fahren zum Kloster Schiomgwime.

Der Weg ist schlecht ausgeschildert, rund einen Kilometer hinter der Abzweigung von der Hauptstraße endet der Asphalt, es schüttelt den Lada ordentlich durch. Die Fahrt über Schotter erinnert mich an die Pisten in Lappland, die ich vor einem Jahrzehnt unter die Räder genommen hatte. Ohne größere Steigung schraubt sich die Piste am Hang entlang in die Höhe, überrascht mit stets neuen Ausblicken in das Tal. Kurz vor dem Kloster hat man einen exzellenten Blick auf die Mündung des Aragwi in den Mtkwari. Das Kloster selbst ist zum Teil für Besucher zugänglich, die Hauptkirche hat mehr als ein Jahrtausend hinter sich gebracht, die Atmosphäre einer solchen Stätte zieht den Betrachter immer wieder in seinen Bann. Sehenswert sind die Fresken und die Deckengemälde.

Tbilissi an einem Sonntag

Am Nachmittag schnuppern wir wieder Großstadtluft, setzen uns in ein Café und trinken einen Nescafé. Mir fällt auf, daß Geschäfte und Verkaufsstände auch Sonntags geöffnet haben. Ebenso sehen wir Handwerker bei der Arbeit. Die Wirtschaftskrise hat für den Kunden ihre gute Seite - die Menschen wollen verkaufen und haben entsprechend Öffnungszeiten, auf die man in Deutschland neidisch sein kann. Vielleicht wegen dieser Zeiten, vielleicht aber auch als Erbe sowjetischer Arbeitsmoral machen allerdings die Mitglieder des Service- und Verkaufspersonals manchmal einen recht müden Eindruck. Mit der Kundenorientierung hapert es mancherorts.

Das westliche Wirtschaftsleben hat seinen Einzug nach Georgien gehalten. Filme werden auf japanischen Maschinen modernen Standards innerhalb einer Stunde entwickelt. McDonalds und Coca-Cola haben ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen. Aber auch einige georgische Wirtschaftszweige haben den Sprung in die Marktwirtschaft geschafft. So ist das Mineralwasser aus Borjomi überall im Stadtgebiet präsent, ebenso das Kazbegi, ein Bier mit deutscher Geschichte und einem Geschmack, der mich an meinen persönlichen Favoriten Reissdorf Kölsch erinnert.

Wie man Marschrutka fährt

Um in der Stadt vorwärts zu kommen, nutzen wir die Marschrutkas. Man stellt sich am Straßenrand auf und winkt dem Fahrer, wenn man den Kleinbus mit der gewünschten Routennummer herannahen sieht. Man steigt in der Regel über die Beifahrertür ein, den Vorgang organisieren die Fahrgäste selbst, wer neben der Tür Platz genommen hat, öffnet und schließt die Tür. Das beste an den Kleinbussen ist, daß der Fahrer an jeder beliebigen Stelle auf der Strecke anhält, man braucht nicht lange nach Hause zu laufen. Einen Linienplan gibt es nicht, die Menschen in der Stadt wissen meist, mit welcher Linie sie am besten fahren können, die Ziele stehen allerdings auch auf einer Papptafel an der Frontscheibe.

Ob die Fahrt zu einem Vergnügen wird, hängt stark vom Fahrer ab. Heizt er durch die Schlaglocher, bekommt man vor allem auf den hinteren Sitzen ordentlich Stöße ins Kreuz. Ist die Marschrutka voll besetzt, kann es für Westeuropäer eng werden, der durchschnittliche Georgier ist kleiner als der Deutsche, die Sitzabstände sind für lange Oberschenkel etwas klein gewählt. Man sollte eher einen Platz in der Nähe des Mittelganges wählen.

Der Preis für eine Fahrt durch die halbe Stadt ist mit 50 Tetri sehr gering, wenn man ihn mit deutschen Tarifen vergleicht.

Von Kevelaer nach Tbilissi

Interessant sind die Fahrzeuge. Meist importieren Georgier Kleinbusse aus Deutschland, beliebt sind vor allem Ford Transit und Mercedes. Die Fahrzeuge haben ihr Erwerbsleben in Deutschland oft schon hinter sich, werden mit Fenstern und Sitzbänken bestückt. Man lackiert sie selten um, so kündet der Name draußen von der Herkunft des Busses, und so fahrt man mit dem Malermeister Hoffmann aus Hilden oder dem Pilgerbus aus Kevelaer durch Tiflis.

Bei Regen kann es angenehmer sein, die U-Bahn zu wählen. Tiflis erstreckt sich entlang des Tales des Mtkwari, eine geographisch günstige Voraussetzung für ein U-Bahn-Netz, das sich auf 2 Linien beschränkt, die fast die gesamte Stadt erschließen. Man kauft eine rote Plastikmünze und steckt sie in eine Sperre, die mit einem Piepen den Weg freigibt, ähnlich wie der Metro in Paris. Die Rolltreppen zur Station hinunter sind lang, entsprechend schnell rollt man auf den Stufen. Das Netz stammt aus den 60er Jahren, eine Digitaluhr informiert über die aktuelle Uhrzeit und die Sekunden, die seit der Abfahrt der letzten Bahn vergangen sind, tagsüber fahren die Züge im 3-Minuten-Takt. In der Waggons sitzt man sich auf langen Bänken gegenüber, und als Betrachter kann man feststellen, daß junge Männer bereitwillig älteren Menschen und Frauen ihren Platz räumen. Man stelle sich dies in Deutschland vor. Als Tourist in der Bahn ziehe ich so manchen Blick auf mich, selten findet man hier blonde Menschen über 180 cm Lebensgröße, Touristen bleiben eher an der Oberfläche.

Das Lohnniveau in Georgien ist erheblich geringer als in Deutschland, entsprechend sind auch die Preise für Verkehrsmittel geringer als in Deutschland, die Metro ist mit 20 Tetri pro Fahrt nicht einmal 1/10 so teuer wie deutsche Bahnen. Auch erwische ich mich dabei, daß ich in drei Wochen so oft Taxi fahre wie in Köln in drei Jahren. Für 5 - 7 Lari, entsprechend dem gleichen Niveau in DM, kommt man durch die gesamte Stadt. Touristen haben es gut bei diesem Preisniveau.

Ein Wort noch zur sprichwörtlichen georgischen Gastfreundschaft. Man bekommt tatsächlich eine Reihe Einladungen zur georgischen Tafel. Aber auf dem Basar, beim Einkauf der täglichen Lebensmittel, geschah etwas unerwartetes. Aus Reiseberichten über Griechenland oder Spanien ist man gewohnt, daß einen die Händler über den Tisch ziehen. Anders in Georgien. Als wir beim Gemüsestand deutsch reden, fragt der Verkäufer, woher ich käme, meine Begleiterin stellt mich als "germaneli" vor - und wir bekommen erheblich mehr Wechselgeld zurück, als wir errechnet hatten. Auch ein Zeichen, daß Georgien ein gastliches Land ist.

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Übersicht aller Reiseberichte Georgien 2001

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