Kacheti: Hinter Tianeti kommen Schotter und Shota

Der mit Abstand größte Teil des Weines aus Georgien wächst in der Region Kacheti. Diese Region im Osten Georgiens bis hin zur Grenze mit Aserbaidschan ist durch Gebirge geprägt, aber auch durch einige Flusstäler und Ebenen. In letzteren wächst der Wein oft in der Ebene, was die Klimagunst der Region verdeutlicht, und nicht in Hanglagen wie beispielsweise in Deutschland weitgehend üblich. 

Viele Wege führen nach Kacheti

Wir wollten aus unserem Ferienhaus an der Georgischen Heerstraße einen mehrtägigen Abstecher nach Kacheti wagen, etwas mehr als 15 Jahre nach unserem ersten Besuch in dieser Region. Von der Gegend nördlich von Tbilissi gibt es zwei Routen, die sich dazu anbieten: 

  • Die Georgische Heerstraße bis Tbilissi auf die S1, dann über die nördliche Umgehung auf die E60 und die S38 über den Gombori-Pass nach Telawi 
  • Kurz vor der Staumauer auf die Landstraße nach Shatili abbiegen, dann nach Tianeti über die S43 nach Tianeti und Achmeta, von dort aus weiter über die S42 bis nach Telawi. 

Beide Strecken kann man erst seit wenigen Jahren in dieser Form befahren. Der frühere Weg aus dem Norden von Tblissi zu irgendeinem Ziel in Kacheti führte grundsätzlich den Mtkwari entlang durch die Innenstadt von Tbilissi. Die Nordumgehung der georgischen Hauptstadt ermöglicht nun einen etwas weniger stressigen Weg in den Südosten Georgiens. 

Doch nicht nur in die Nordumgehung Tbilissi hat man in den letzten Jahren viel Arbeit reingesteckt. Auch die andere Route über Tianeti ist in den letzten Jahren ausgebaut worden. Stand diese Strecke in den letzten Jahren im Ruf, sein Auto dort gut schrotten zu können, so hat diese Straße nun auch ihren Schrecken verloren. Fast, wie wir gleich sehen werden. Das Kalkül der Verkehrsplaner in Tbilissi dahinter: Von Kacheti werden Waren, vor allen Dingen natürlich Wein und andere landwirtschaftliche Produkte, in andere Länder exportiert. Um den Warenverkehr auf der Straße nicht auch noch durch Tbilissi zu schicken, hat man die Strecke über Tianeti nun asphaltiert und damit für eine Entlastung der anderen Straßen und des Großraums Tbilissi gesorgt.

Über Tianeti und Achmeta nach Telawi

Wir sind nun also die Georgische Heerstraße nach Norden gefahren und dann Richtung Tianeti. Die Straße windet sich mit Steigungen, die auf wenigen Hundert Metern bis zu 10% erreichen, den Berg hinauf Richtung Tianeti, das auf einer Hochfläche liegt. Auf diesem Abschnitt ist die Straße durchgehend asphaltiert. Wenn man dann den Abstecher nach links gefunden hat, in unserem Fall trotz Google Navigation durch Befragung ortskundiger Männer, geht es zum ersten Abschnitt Schotterstraße. Diesem sollten noch einige weitere folgen. Man sollte also ständig ein Auge auf den Straßenzustand vor einem selber haben – in einem Fall bin ich gemütlich mit 80 durch eine Kurve und sah ca. 30 Meter vor mir die ersten Steine. Und das mit Reifen, die beim kleinsten Druck auf die Bremse schon ordentliche Quietschgeräusche von sich geben... Nun, wenn man das einmal erlebt hat, ist man vorbereitet. Gefühlt ein Drittel der Strecke bis Achmeta ist nicht asphaltiert. Diese gilt besonders für Brückenrampen und Serpentinen. Ich nehme an, dass diese Abschnitte grundsaniert werden sollen, denn eine Schotterpiste ist nach einem Hochwasser leichter instand zu setzen als eine asphaltierte Straße. Die fertig gestellten Projekte lassen auf der Webseite der Straßenverwaltung nachlesen.

Ist man erst mal in Achmeta, kennt man sein Auto sehr genau, vor allem die Spurweite und die Breite über die Außenspiegel. Damit ist der Verkehr in den folgenden Städten und Dörfern ein Kinderspiel. Von Achmeta aus führt S42 nach Telawi, den Weg hier kann man kaum verlieren. Als wir kurz nach Mitte September hier lang gefahren sind, kamen uns einige Lastwagen entgegen, die eindeutig Weintrauben auf der Ladefläche geladen hatten. Auf der Straße waren auch jede Menge Traktoren unterwegs, mit und ohne Anhänger. Diese typischen Traktoren für Weinberge mit besonders geringer Breite, damit sie gut zwischen den Weinreben durchpassen. 

In Telawi brauchte es dann neben der Navigation mit Google Maps noch die Nachfrage bei mehreren Personen, einer davon mit dem T-Shirt einer Sportmannschaft aus Köln, bis wir unser Gästehaus fanden. Kaum 500 Meter von der Innenstadt Telawi entfernt. Die erste Fassung des Reiseberichts entstand auf der Terrasse des Gästehauses. Sehr entspanntes Arbeiten – ich frage mich ohnehin seit dem Beginn von Corona, ob man nicht als Webentwickler mit 100% Home Office Anteil seinen Arbeitsort in den Kaukasus verlagern könnte. 

Schotter und Shota

Um das Wortspiel von oben wieder aufzunehmen: Zu Shota führte uns die Schotterpiste direkt nicht. „Der Recke im Tigerfell“ von Shota Rustaweli ist im Süden Georgiens entstanden. Es gibt wenige biographische Gewissheiten über den Verfasser des georgischen Nationalpoems, aber der Fund eines Originals seines Werks in Achalziche unterstreicht, dass er dort seine Wurzeln hat. Indirekt gibt es aber eine Verbindung des berühmten Literaten mit Kacheti, denn Shota Rustaweli genoss seine akademische Ausbildung in der Akademie Ikalto in der Region Kacheti. 

Montags sind wir schwitzend vor Hitze im Auto nach Kacheti gefahren, am Freitag der gleichen Woche zurück gekommen. Bei der Rückfahrt haben wir die Strecke über den Gombori-Pass genommen, denn meine Neffen wollten direkt in Tbilissi aussteigen. Am Donnerstag dieser Woche waren Hagelkörner auf unser Auto niedergeprasselt, und so wollten wir lieber die durchgehend asphaltierte Strecke nutzen. Hier ist gegenüber der Route über Tianeti gefühlt das zehnfache an Verkehr unterwegs. Und anstatt vor Hitze zu schwitzen, war es eher die Anstrengung, bei teilweise strömendem Regen und Nebel oberhalb von ca. 1.200 m nicht die Orientierung zu verlieren. Von der Zeit her nehmen sich beide Strecken nicht viel.