Charagauli: Die Kehrseite des Wetters

Der Rikoti-Tunnel trennt das Wetter in Georgien

Der Mtkwari ist für die nächsten Kilometer unser Begleiter, als wir nach Chawschuri zurückfahren, diesmal biegen wir am Kreisverkehr nach Norden ab. Die Strecke führt bergan, wir queren den Paß durch den Rikoti-Tunnel, zahlen dort Streckenmaut in Höhe von einem Lari. Als wir aus dem Tunnel kommen, zeigt sich die trennende Wirkung eines Gebirges: In Borjomi hatten wir Sonne, hier kommen wir aus dem Tunnel auf eine regennasse Straße. Ein Blick auf die Karte zeigt mir später, daß sich auf der Westseite des Trialetischen Gebirges die Wolken stauen und abregnen, die vom Schwarzen Meer heranziehen. Tiflis ist deswegen relativ trocken, hier ist der jährliche Niederschlag höher. Wir rollen die Straße den Berg herunter, vor Zestaponi überqueren wir den Tschcherimela und biegen nach links ab Richtung Kharagauli.

In Schroscha wird traditionell Ton gebrannt, am Straßenrand sehen wir die Verkaufsstände, an denen Keramik in jeder Form und Größe angeboten wird. Die Größe der Gefäße reicht von der kleinen Tonschale bis zum Tone. Diese Gefäße haben die Größe einen Weinfasses und werden in die Erde eingegraben, um Brot in ihnen zu backen. Auch den einen oder anderen Kwewri sehen wir zum Verkauf bereitstehen. Im Einsatz sieht man sie nie in voller Größe, denn sie werden bis zum Hals in die Erde eingegraben, in ihnen wird traditionell der georgische Wein geboren.

Nationalpark Borjomi-Charagauli

Der Fluss bleibt für die nächste knappe Stunde unser Begleiter. Es ist zwar nicht weit, aber die Straße ist in einem schlechten Zustand, übersät von Schlaglöchern. Seit Jahren ist sie nicht ausgebessert worden. Der Schrecken der Stoßdämpfer wird in wenigen Jahren allerdings der Vergangenheit angehören. Denn diese Straße führt in den Nationalpark Borjomi-Kharalgauri und wird bis zum Jahr 2003 mit Mitteln der Deutschen Bundesregierung instand gesetzt.

Auf der anderen Seite des Tschcherimela führt die Bahnlinie entlang, die eine Verbindung nach Tiflis bereitstellt. Sie ist zweispurig und elektrifiziert, ein Standard den sich manche deutsche Kleinstadt heute nicht leisten kann. Sie wird ausgebaut, ein Teil der Strecke wird gerade auf die Seite der Straße verlegt. Das Tal verlassen wir auf einem Weg, der bergan führt. Unser Lada kämpft mit der Steigung, der Weg ist steinig, an manchen Stellen haben sich Erosionsrinnen eingeschnitten. Für Fahrer von Geländewagen eine Herausforderung, landschaftlich ist die Strecke ein Highlight. Es geht stetig nach oben, bis ins Dorf Kwebi, was auf Deutsch "Steine" bedeutet. Dies entspricht nicht ganz dem Zustand, den wir vorfinden. Der Regen hat hier oben seine Spuren hinterlassen und die Erde aufgeweicht. Die letzten hundert Meter begleitet uns schlammiger Untergrund, unser Quartier für die nächsten beiden Tage taucht vor uns auf, einer der Bauernhöfe in Kwebi.

Der Kwewri wird geöffnet

Kaum sind wir angekommen, führt uns der Hausherr durch seinen Hof, zeigt uns den Tone seines Hauses. Die Nahrungsmittel werden hier in Selbstversorgung hergestellt, neben einigen Kühen hält sich der Hof mehrere Schweine und Hühner. Ein Gotschi, auf deutsch Ferkel, musste zu unseren Ehren sein Leben lassen. Der Tone wird mit Holz aufgeheizt, das Spanferkel wird zwei Stunden kopfüber hineingehängt und kommt gegrillt wieder heraus - eine der Köstlichkeiten der traditionellen georgischen Küche. Ebenfalls zu Ehren der Besucher wird der Kwewri geöffnet, der junge Wein aus dem vergangenen Jahr verströmt sein fruchtiges Aroma durch die Luft. Traditionell geht das Glas reihum, wir trinken den ersten Schluck des jungen Weins und bringen einen Trinkspruch auf die Familie aus. Es ist dieses typische Aroma der georgischen Rebsorten, die das Besondere dieses Weines ausmachen und jedem Feld, jedem Hang seinen unverwechselbaren Geschmack verleihen. Am Abend wird es bei der georgischen Tafel Gelegenheit geben, den Wein weiter zu genießen.

Der nächste Tag bringt schlechtes Wetter, die Berghänge fangen hier für Borjomi den Regen ab. Tief hängende Wolken versperren uns den Blick auf die Berge des Nationalparks Borjomi-Kharalgauri, für eine Stunde reist heute die Nebelbank auf und gibt den Blick auf die bewaldeten Hänge frei. Wir ziehen uns Gummistiefel über und spazieren in den Park hinein, an dessen Rand wir uns befinden. Der Weg wird auch von den Rindern des Dorfes benutzt, die hier auf der Bergweide ihre Nahrung finden. Ihre Hufe haben den aufweichten Boden zertreten, es ist beschwerlich, sich den Weg heraufzukämpfen. Ein wenig erinnert mich diese Zusammenstellung am Bayern.

Schlamm und Schlaglöcher

Nach zwei Tagen holt uns das bestellte Taxi ab, wir haben das Vergnügen, in einem UAZ Tundra zu fahren. Der Geländewagen aus der Zeit des Warschauer Pakts muss auch vor den letzten 50 Metern zum Bauernhof hoch passen. Ein Reiter trabt an uns vorbei, er kommt besser voran. Der Fahrer bringt uns sicher nach unten, die Federung des Wagens unterrichtet uns über den Zustand des Untergrundes und sorgt für eine gute Durchmischung des Frühstücks. In der Nacht waren ergiebige Regenschauer über Europa niedergegangen, die Schlaglöcher sind mit Wasser gefüllt, diese Passagen machen im hochbeinigen Gefährt richtig Spaß.

Als wir in Kharalgauri eintreffen, reißt der Himmel auf, innerlich glaube ich ein hinterhältiges Lachen des kaukasischen Wettergottes zu hören. Wir trinken mit den Direktoren des Nationalparks einen Kaffee und reden über den Stand des Projektes, eine deutsche Regierungsdelegation war einen Monat zuvor hier und hat sich mit den Arbeiten am Nationalpark zufrieden gezeigt. In der Auslage sehe ich eine Menge Prospekte bayerischer Nationalparks, die hier als Vorbild dienen. Ich drücke meine Hoffnung aus, daß sie nicht auch die Sprache als Vorbild übernehmen.

Eisenbahn in Georgien

Schräg gegenüber liegt der Bahnhof, wir setzen über die Gleise und stellen uns auf dem Bahnsteig auf. Der Zug erreicht uns pünktlich, die Zugbegleiterin kontrolliert bereits am Einstieg unsere Fahrkarten, nicht wie in Deutschland oder Frankreich gewohnt während der Fahrt. Es gab diese wirren Zeiten Mitte der 90er Jahre in Georgien, als in den Zügen die Scheiben zerschlagen waren und die Menschen durch diese hineinkletterten, um nicht zahlen zu müssen. Wenn man die Nachrichten über Georgien verfolgt, so ist bei oberflächlichen Berichten immer wieder die Rede vom Niedergang der Infrastruktur. Wir nehmen erfreut im Gegenbeweis Platz. Die Wagen dieses Zuges sind komplett renoviert, die Polster sind einem Zustand, der dem rollenden Material einen Nahverkehrszuges der Deutschen Bahn die Schamröte ins Gesicht treiben müßte. Hier hat sich in den letzten Jahren eine Menge zum besseren gewandelt. In der Mitte des Wagens läuft das Videoprogramm in georgischer Synchronisation, anhand der Schauspieler erkenne ich den letzten Star Trek-Film.

Es rüttelt ein wenig in den kommenden zwei Stunden, bis wir in Tiflis sind. Auf der Strecke durch das Gebirge sind die Ausblicke atemberaubend, wir passieren mehrere Bautrupps, an der Strecke wird gearbeitet. Die Paßhöhe unterqueren wir im Tunnel, wir verlassen ihn im Sonnenschein, der uns bis Tiflis begleiten wird. Und zementieren unseren Entschluß, im September nachzusehen, ob dies wirklich die beste Reisezeit sein wird.

Übersicht aller Reiseberichte Georgien 2001

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