Die georgische Heerstraße bis zum Ende

Vor fünf Jahren bin ich die georgische Heerstraße schon einmal hinaufgefahren. Allerdings kamen wir damals nur bis Pasanauri. Nun soll es bis zum bitteren Ende an die Grenze zu Russland gehen. Wir machen die Reise genau zwei Tage zu früh. Warum, werden Sie am Ende dieses Berichts lesen. Unser Fahrer ist ein Verwandter von mir, Polizist, jahrelang auf genau diesem Abschnitt der Heerstraße auf Streife unterwegs.

Festung Ananuri

Auf den ersten rund ein Dutzend Kilometern bis Dshinwali herrscht reges Treiben auf der Straße. An den Straßenrändern halten Straßenhändler ihren Waren bereit. Rinder laufen auf der Straße herum. Zwei Hunde liegen am Straßenrand, einer sieht etwas aufgedunsen aus, beide sind offensichtlich tot. Hat man die ersten Kilometer dann hinter sich gebracht, wird es ruhiger auf der Heerstraße. Grund dafür ist das Handelsembargo, dass der damalige russische Präsident Putin nach einer Spionageaffäre um vier Mitarbeiter der russischen Botschaft in Georgien gegen das Nachbarland verhängt hatte. Früher nutzten Händler aus Georgien und Armenien die Strecke. Die Anwohner profitierten davon. Jetzt herrscht wenig Autoverkehr auf der Strecke.

An der Festung Ananauri machen wir einen Zwischenhalt. Ich mache frische Digitalbilder, bis zum Ende des Tages werden es 300 sein. Wenn man nicht über einen Hubschrauber verfügt, ist die beste Schussposition für Bilder die Brücke, die über einen Seitenarm des Stausees führt. Dabei sollte man einmal einen Blick durch die Lücke zwischen den Bauelementen der Brücke nach unten werfen. Wenn es zwischen den Füßen 40, 50 Meter in die Tiefe geht, bekommt man einen Eindruck, wie es auf dem halbrunden Sky Walk am Grand Canyon sein muss.

Immer den Aragwi hinauf

Aus Zeiten, die in verkehrlicher Sicht glücklicher waren, stammt das Fragment eines Tunnels. Auf einem Teilabschnitt der Straße sollte ein Tunnel durch den Kaukasus getrieben werden, da dieser Teil der Strecke durch Lawinen gefährdet ist. Auf der südlichen Seite des geplanten Tunnels gibt es eine Einfahrt. Es blieb bei dem Plan.

Wir umkreisen auf der zweigeteilten Heerstraße das Zentrum von Pasanauri und fahren weiter den Berg hoch. Ständiger Begleiter ist der Aragwi, der Richtung Süden fließt. Die Fluss hat ebenso wie der Stausee bei Ananuri türkisfarbenes Wasser. Der Zufluss kommt zun Teil aus Gletschern, deren Schluff dem Wasser diese Farbe gibt. Der nächste Fluss wird eine andere Farbe haben.

Serpentinen mit Aussicht den Kaukasus hinauf

Hinter Pasanauri windet sich die Straße in Serpentinen mehrere Hundert Meter in die Höhe. Findige Köpfe haben hier an einer geeigneten Stelle mehrere Aussichtsplattformen in den Hang gebaut. Der Ausblick ist atemberaubend! Man blickt ein Stück das Tal hoch, vor der Nase geht es recht steil bergab und von der anderen Seite grüßen grüne Hänge. Man sieht von oben auf Mleta hinab. Von unten her ist das Rauschen des Aragwi zu hören. Diese Aussicht sollte man unbedingt genießen!

Eine Ahnung vom Winter

Etwas weiter den Berg hoch windet sich die Heerstraße dann zum Skiort Gudauri. Wie viele Orte, die auf Wintersport ausgelegt sind, sieht auch Gudauri im Sommer eher nicht so schön aus, wenn nicht der weiße Puderzucker des Schnees darüberliegt. An den Hängen liegen zusammengewürfelt Häuser und Hotels. Manche offensichtliche Investitionsruine ist darunter, so ist ein Haus zu einer Hälfte bewohnt, in den anderen Flügel klaffen tote Augenhöhlen fensterloser Wohnungen. Ein Edelhotel lädt zum Übernachten ein.

Hinter Gudauri verlassen wir den Asphalt. Die Heerstraße schraubt sich hoch zum Dshwari-Pass (Kreuzpass).

Denkmal vergangener Zeiten

Es gab Zeiten, da gehörte Georgien zur Sowjetunion. Man war unter den Staaten verbrüdert. Wie sagte ein altes Sprichwort, dass ich mal über die DDR gehört habe: Freunde kann man sich aussuchen. Brüder nicht. Und genau diese brüderliche Vereinigung innerhalb der Sowjetunion soll sein Denkmal im schönsten sozialistichen Realismus darstellen, das kurz vor der Passhöhe errichtet worden ist. Es soll die Geschichte der Beziehungen zwischen Russland und Georgien darstellen. Nun, dass ist einige Jahre her. Den aktuellen Stand der Dinge sehen wir ein paar Hundert Meter weiter unten.

Kreuzpass: Friedhof deutscher Kriegsgefangener

Ein unscheinbares Steinkreuz markiert mit 2.395 m Meereshöhe den höchten Teil des Passes. Ab hier fließt das Wasser nach Russland ab.

Auf dem Pass gibt es eine Wetterstation. Es gibt aber auch einen Griff in die Geschichte. Denn genau auf der Passhöhe haben deutsche Kriegsgefangene ihre letzte Ruhestätte gefunden. Ein Gedenkstein weißt auf das Schicksal der Kriegsgefangenen hin.

Rote Steine an der Heerstraße

Ab nun heißt unser fließender Begleiter Tergwi. Der Fluss hat eine rötliche Farbe. Woher diese kommt, kann man kurz hinter der Passhöhe sehen. Einige Dutzend Meter über der Straße entspringt eine Quelle mit hohem Mineraliengehalt. Nach Angaben unseres sachkundigen Fahrers soll das Wasser Schwefel enthalten. Der gesamte Hang unterhalb der Quelle ist mit Sinter rot und hellgrau gefärbt. Man kann den Hang trotz des darüber laufenden Wassers mit handelsüblichen Halbschuhen begehen, sollte aber die Wasserstellen über Knöchelhöhe meiden. Das Tal weiter herunter sieht man noch weitere Quellen, die offensichtlich einen hohen Gehalt am Mineralien aufweisen, vor allem Eisen. Das Wasser des Tergwi hat eine rotbraune Färbung.

Weitere Spuren des Krieges

Ein Stück weiter nördlich zweigt das Truso-Tal ab. Man merkt, dass man im alpinen Bereich fährt. Durch das Tal windet sich ein kleines Rinnsal. Dass der Fluss in der Zeit der Schneeschmelze mehr Macht hat, beweisen die Schuttmengen, die im breiten Flussbett liegen.

Wir machen Halt bei Agatkau. Und auch hier holt uns die aktuelle Geschichte ein. Seit Sommer 2009 hat die Führung der abtrünnigen Teilrepublik Südossetien territoriale Ansprüche auf dieses Tal angemeldet. Der heiße Krieg zwischen Georgien und Russland ist zwar zum Zeitpunkt unseres Besuchs ein Jahr her. Aber die Spuren sind auch hier zu sehen. Auf der Nordseite des Tales ist eine kleine Siedlung zu erkennen. Sie war von Osseten bewohnt. Die Häuser stehen leer.

Sameba-Kirche Gergeti

Wir fahren wieder zurück auf die Heerstraße und nach Gergeti. Von hier aus windet sich die Straße hoch zur Sameba Kirche.

Wenn Sie einmal Postkartenmotive aus Georgien gesehen haben, wird es sehr wahrscheinlich die Festung Ananuri oder diese Kirche gewesen sein. Die Sioni-Kirche liegt exponiert auf einem Bergsporn und ist von einer Anhöhe kurz vor der Kirche sehr gut zu fotografieren. Der Weg dorthin ist allerdings ein Abenteuer, das man mit dem normalen Pkw meiden sollte. Uns kommen mehrere Lada Niva entgegen, die Besucher nach oben bringen. Den Allradantrieb braucht man auch.

An der Kirche wird zum Zeitpunkt unseres Besuchs gerade gebaut. Man sollte den atemberaubenden Anblick mit dem Blick auf die Berge rundum genießen.

Grenze zu Russland

Die georgische Heerstraße endet am Grenzübergang Larsi. Dieser ist seit 2006 geschlossen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, und so haben die USA 2,4 Millionen Dollar in den Umbau des Terminals investiert. Es gibt neue Gebäude, eine Grube und eine Waage. Eine neue Einrichtung soll es erlaubt, den Schmuggel von radioaktivem Material zu verhindern. Zwei Tage nach unserem Besuch wird der scheidende US-Botschafter John Tefft diesen Terminal offiziell übergeben und seine Hoffnung ausdrücken, dass Russland die Grenze irgendwann wieder aufmachen wird.

Übersicht aller Reiseberichte 2009

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