Georgische Heerstraße mit Corona und Direktflug

Unsere Reise nach Georgien im Jahr 2021 fand unter den Eindrücken von Corona statt. Das bedeutete für Georgien rund ein Jahr mit einem totalen Zusammenbruch des Tourismussektors. Für uns bedeutete dies, dass wir vor der Herausforderung standen, den gesamten Flug nach Georgien mit einer Maske vor dem Gesicht verbringen zu müssen. Keine besonders angenehme Vorstellung, wenn man z. B. In München beim Umsteigen acht Stunden Wartezeit totschlagen und dabei die gesamte Zeit die Maske tragen muss. Um so größer die Freude, als eine Fluggesellschaft ankündigte, im Sommer 2021 von einer Stadt nördlich von Köln aus mit einem Direktflug nach Georgien zu fliegen. 

Meine persönliche Freude dabei: Es war der erste Flug seit 2001, mit dem ich bei Tageslicht in Georgien eingetroffen bin. In den Georgien Nachrichten hatte ich wenige Jahre zuvor vom neuen Terminal und den anfänglichen Schwierigkeiten berichtet, die Flüge landeten und starteten aber immer mitten in der Nacht. Auch nicht schön für die Familienangehörigen, die um drei Uhr morgens zum Flughafen fahren müssen. 

So sieht das Flugfeld also bei Tag aus, dachte ich mir. Zwei Jumbo Jets stehen auf dem Vorfeld, einer davon sieht aus wie ausgemustert, er steht mitten im Gras. Die Piste und der Taxiway sind, wie gewohnt, etwas uneben, die Oberfläche erinnerte mich an die Straßen aus Betonplatten, die ich 1992 in Halle an der Saale mit dem Rad befahren habe. 

Bald Asphalt bis Shatili

Der Urlaub 2021 ist mein 11. Aufenthalt in Georgien seit 2001. Jecke Zahl! Und das 20-jährige Jubiläum also! Was auch neu ist: Wir haben dieses Mal ein Ferienhaus an der georgischen Heerstraße unweit von Ananuri. Von hier aus lohnt es ein paar Fundstücke an der Heerstraße und an der Strecke nach Schatili zu entdecken. 

Beide Strecken werden ständig ausgebaut. Alle paar Kilometer gibt es eine Baustelle zu besichtigen. Die Schotterpisten, die ich von einer Reise im Jahr 2009 noch kannte, sind auf der Heerstraße verschwunden. 

Auch die Strecke bis Schatili ist nun zu einem großen Teil asphaltiert. Wir sind hier im Sommer 2021 durch mehrere Baustellen gefahren. Der Asphalt soll nach Aussagen des Betreibers eines Restaurants an der Strecke bis ca. 30 km vor Schatili reichen. Auch der Fluss bekommt an einigen Stellen ein update seines Bettes. Es wird also in den kommenden Jahren einfacher, in das touristisch bedeutsame Wehrdorf Schatili in den Norden Georgiens zu fahren! Dass der Bärenkreuzpass mit 2.800 m Höhe allerdings im Winter nach wie vor ein bedeutsames Hindernis darstellt, sollte man nicht ignorieren. 

Und auch wenn die größten Hindernisse auf der Strecke in den kommenden Jahren beseitigt sein werden: Im Sommer 2020 gab es einen tragischen Unfall auf dieser Strecke. Der Fahrer einer Marschutka verlor auf der Strecke die Kontrolle über sein Fahrzeug und stürzte in die Schlucht. Bei dem Unfall verloren 17 Menschen ihr Leben. Der Fahrer galt als sehr umsichtig und mit der Strecke sehr gut vertraut, das Fahrzeug als verkehrssicher. Dieser tragische Unglücksfall zeigt: Man sollte niemals den Respekt vor dem Hochgebirge verlieren!

Rafting und Zipline am Aragwi

Wenn man die Georgische Heerstraße hochfährt, sieht man am rechten Straßenrand gefühlt alle 2 km ein Schlauchboot stehen. Rafting ist im Sommer zu einem Sport avanciert, der ein besonderes Merkmal des Tourismus an der Heerstraße darstellt! Es gibt mittlerweile jede Menge Anbieter, die eine Wildwasserfahrt über den Aragwi anbieten. Wir haben keinen der Dienstleister ausprobiert; eine Recherche vor dem Beginn Ihres Urlaubs bietet sich an. Der Markt scheint stark in Bewegung zu sein, zudem ist die Tour natürlich auch von der Wasserführung des Flusses abhängig. Dies gilt für den den Aragwi oberhalb des Stausees Zchinwali, unterhalb der Staumauer ist der Fluss reguliert. 

Auch am schwarzen Aragwi, der Strecke hoch nach Schatili, gibt es zwei Anbieter für Rafting, Ziplines als Seilbahn und einen Kletterpark. Den haben meine Neffen ausprobiert und waren recht begeistert. Für den Preis einer jugendlichen Person in einem Kölner Park konnten hier alle drei auf zwei unterschiedlichen Parcours durch die Bäume touren, Seilbahn fahren und diverse Geschicklichkeitsspiele durchprobieren. Unterstützung bei technischen Schwierigkeiten gab es von einem Angestellten. Als sich dieser einen Baum hoch über zwei Plattformen nach oben bewegte, konnte man sehen, wie ein Profi klettert...

Denkmal für die Aragwi 300: Georgische Geschichte

Es gibt eine Menge Ereignisse in der georgischen Geschichte, die man in den letzten Jahren in die Form eines Denkmals gegossen hat. Ein Beispiel dafür ist das Geschichtsbuch Georgiens von Zereteli oberhalb von Tbilissi, ein anderes das Denkmal der Freundschaft zwischen Georgien und Russland zum 200. Jahrestag des Vertrages von Georgiewsk. In historischem Zusammenhang damit steht ein Denkmal, das man kurz vor der Staumauer von Zchinwali sehen kann: Das Denkmal der 300 aus Aragwi

Im Jahr 1783 wurde der Vertrag von Georgiewsk zwischen dem russischen Reich und Georgien geschlossen. Dieser sollte eigentlich dazu dienen, dem kleinen Land Georgien Schutz gegenüber den Nachbarn zu bieten. Dabei waren es vor allem die Türkei bzw. das osmanische Reich und Persien, die ein Interesse an Georgien hatten. 

1795 drangen nun persische Truppen nach Georgien ein. Zarin Katharina war kürzlich gestorben, aus Russland kam wegen der Querelen der Amtsnachfolge keine Hilfe. Der georgische König Erekle II. suchte händeringend nach einer Möglichkeit, sich gegen den übermächtigen Gegner verteidigen zu können. Er ließ im Tal des Aragwi Truppen rekrutieren. 300 Männer schworen, lieber ihr Leben zu lassen als sich dem Feind zu ergeben. Sie zogen bei Krzanissi gegen die persischen Truppen ins Feld und wurden von der Übermacht vernichtend geschlagen. Nicht einer von ihnen überlebte die Schlacht. Die Perser fielen in Tbilissi ein und brannten die georgische Hauptstadt nieder. Noch heute kann man die Gewalt an Hand des Zustandes der Narikala-Festung erahnen. 

Im 20. Jahrhundert erinnerte man sich der Schlacht des 11. September 1795 mit den 300 Aragwiern. In Tbilissi entstand 1959 ein Denkmal, dass den Helden gewidmet ist. Ein weiteres Denkmal auf dem Gelände erinnert an die georgischen Musiker, die in der Schlacht starben. 

Am Ufer des Aragwi, also in der Heimat der Gefallenen, entstand ebenfalls ein Denkmal, und dieses steht heute an einem Aussichtspunkt der Staumauer Zchinwali. Das Denkmal hat einen Mantel aus Beton und in der Mitte einen Mast aus Stahl. Speere symbolisieren die Waffen, im Inneren sieht man die Kämpfer und das Volk unter ihnen. Wir waren 5 Tage nach dem Jahrestag der Schlacht im Denkmal, am Fuß sah man die Kerzen, die Menschen vor uns im Gedenken an die Gefallenen angezündet hatten. 

Diese bedeutsame Schlacht in der georgischen Geschichte wird, gerade auch wegen der Zahl 300, oft in Zusammenhang gesehen mit der Schlacht bei den Thermopylen 380 v. Chr. in Griechenland. Auch damals gab es eine ähnliche machtpolitische Konstellation. 

Für die Beteiligten hatte die Besetzung Georgiens nicht unbedingt die gewünschten Folgen. Der persische König starb ebenso wie sein georgischer Kollege wenige Jahre nach der Schlacht. Das Vakuum an Macht führte im Endeffekt dazu, dass Georgien 1805 von Russland annektiert wurde. 

Museum des Schriftstellers Wascha-Pschawela

Einer der berühmtesten Schriftsteller Georgiens ist Wascha-Pschawela, auf Deutsch soviel wie Bursche aus Pschawela. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Luka Rasikaschwili aus der Region Pschawi im Norden von Georgien. Er wurde im Dorf Chargali geboren, an der Strecke zwischen Zchinwali und Schatili. Wenn man die recht schmale, aber asphaltierte Straße nach Tschargali hinauf geklettert ist, kommt man zum Museum des georgischen Schriftstellers Wascha-Pschawelas. Und einen Besuch ist dieses Museum auch wert, wenn man sich nicht für Literatur interessiert, denn es entführt den Besucher in die Zeit vor etwas mehr als 100 Jahren in den Bergen Georgiens. 

Mehr zum georgischen Schriftsteller:
Biographie von Wascha-Pschawela 

Das Museum besteht aus zwei Teilen. Unser Führer war der deutschen Sprache nach seinem Dienst in der Sowjetzeit bei Potsdam ein wenig mächtig, so dass er einige Zusammenhänge zu Deutschland herstellen konnte. Der Besuch beginnt in der Hütte, in der Wascha-Pschawela geboren wurde. Von der Architektur könnte dieses kleine Haus modernsten Anforderungen genügen, denn es ist mit natürlichen Materialien gebaut, hatte früher ein Grasdach und könnte mit Solarenergie gespeist werden. Wenn man hinein geht, bekommt man einen ersten Eindruck, wie beschwerlich das Leben in früheren Jahrhunderten war. Tschargali liegt auf mehr als 1.000 Metern über Meereshöhe, im Winter wird es hier kalt. Für Wärme sorgen zwei Kamine; einen Kamin in der Ecke ließ Wascha-Pschawela nach einem Aufenthalt im Ausland bauen. Der Boden der Hütte ist nicht bequem mit Parkett oder Teppichboden ausgelegt, man geht auf kleinen Steinen. Und auch wenn die Ausstattung einfach ist. Es gibt alles Werkzeug, um Chinkali zu kochen. 

Auf der anderen Seite der Straße hat man noch in der Zeit der Sowjetunion ein Museum für Wascha-Pschawela errichtet, das früher Ziel von Ausflügen georgischer Schulkinder war. Am Eingang des Museums ist ein gewaltiger Kopf des georgischen Schriftstellers aufgestellt. Links neben dem Museum hat man ein kleines Amphitheater nach griechischem Vorbild errichtet; die Ränge sind mit Gras bewachsen. Hier ist ein Ort, bei dem Festspiele zur georgischen Literatur stattfinden können. 

Im Museum war zum Zeitpunkt unseres Besuches leider der Strom ausgefallen, was nicht nur für das Museum galt, sondern für die gesamte Region. Die Führung fand daher im einfallenden Sonnenlicht statt. Als Exponate gibt es jede Menge Bilder aus dem Leben und der Umgebung von Wascha-Pschawela zu sehen. Diese zeigen ihn selber, sein Werk und andere bedeutende Persönlichkeiten der georgischen Kulturszene aus der Zeit, als Georgien noch ein Teil des russischen Zarenreiches war. Ein Teil ist auch der Familie Rasikaschwili gewidmet, denn ein Sohn des Schriftstellers wurde nach einem Aufstand gegen die russischen Besatzer in den 1920er Jahren von den Sowjets ermordet.