Leere Tunnel beim Neubau der Bahnumgehung Tbilissi

Eine der wichtigsten Verkehrsadern in Georgien führt mitten durch die georgische Hauptstadt Tbilissi: Die Bahnstrecke von Baku bis nach Poti. Auf dieser Strecke werden jedes Jahr Millionen Tonnen Öl und andere Güter mitten durch die Innenstadt gefahren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts reifte der Plan, diese Strecke durch eine Umgehung zu ersetzen. An diesem Projekt zeigen sich nicht nur wirtschaftliche Erwägungen und verkehrliche Aspekte, auch internationale und georgische Politik spielen hier eine wichtige Rolle. Die Bauarbeiten an diesem Projekt waren mehrere Jahre eingestellt, und so gab es neue Lost Places in Georgien. In diesem Fall im Stadtteil Gldani in Tbilissi.

Streckenführung

Die Umgehungsstrecke umfährt Tbilissi in nördlicher Richtung. Ab Lilo im Osten von Tbilissi führt die Route nördlich des Tbilisser Meer vorbei, berührt die Stadtteile Awtschala und Gldani und trifft bei Zahesi auf die bestehende Trasse. Für das Projekt werden 30 km Bahnstrecke neu gebaut. In diesem Abschnitt entstehen mehrere Tunnels. Weitere 10 km der bestehenden Strecke Richtung Kacheti werden renoviert, dort wird die bislang eingleisige Strecke auf zwei Gleise erweitert. 

Die Strecke zwischen den Bahnhöfen in Didube und Navtlugi wird aufgegeben. Beide Bahnhöfe werden zu Kopfbahnhöfen. Der bisherige Hauptbahnhof wird geschlossen. Eine direkte Verbindung zum Umsteigen in Tbilissi gibt es dann nicht mehr. Mehrere Betriebshöfe der Bahn werden wegfallen. 24 Betriebe verlieren zudem ihren Bahnanschluss. 

Die Stadtteile Zahesi und Gldani werden durch einen 2,5 km langen Tunnel umgangen. Beim Tbilisser Meer ist ein 1,2 km langer Tunnel entstanden. Im Bereich des Tbilisser Meer soll die Strecke einen Abstand von mindestens 900 Metern zum Wasser einhalten. 

Geschichte

Die Bahnstrecke Poti-Baku, deren Abschnitt in Tbilissi nun umgebaut wird, besteht bereits seit 1871. Mit den ersten Bauarbeiten hatte man 1865 begonnen. Der erste fertig gestellte Abschnitt der Strecke reichte von Tbilissi nach Sestaponi, 1872 verlängerte man die Strecke bis nach Poti. Im Jahr 1883 wurde die Strecke in östlicher Richtung bis nach Baku verlängert, in westlicher bis nach Batumi, das in der Zwischenzeit aus der türkischen Besatzung herausgelöst werden konnte. Ab 1900 bestand über Baku Anschluss an das russische Netz der Eisenbahn. Die gesamte Strecke ist nach aktueller Berechnung 897 km lang. Sie wurde zwischen 2008 und 2014 komplett renoviert.

Geopolitik

Die Strecken Baku-Tbilissi-Poti und Baku-Tbilissi-Kars sind Teil eines größeren Projektes im Rahmen des Transportkorridors durch den Kaukasus bis nach Zentralasien (TRACECA). Über diese Strecke soll Güterverkehr aus China nach Europa abgewickelt werden. Die Kosten für Standardcontainer sollen dabei mehr als 80% geringer sein als bei einem Transport über die Straße. Gegenüber dem Transport mit Schiffen ergibt sich ein Zeitvorteil mehrerer Wochen. 

Großes Interesse an beiden Strecken hat nicht nur China, auch Kasachstan ist daran interessiert, Produkte aus der Ölindustrie schneller auf den europäischen Markt bringen zu können. Damit stehen entweder die Häfen am Schwarzen Meer oder die direkte Verbindung über die Türkei offen. Der Anschluss in Baku erfolgt über Eisenbahnfähren, die das Kaspische Meer überspannen. 

Der kürzeste Weg für den Teil der Route durch den Kaukasus wäre durch Armenien über die bestehende Trasse gegangen. Wegen der eingefrorenen Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien ist die Grenze aber auch weiterhin für den Bahnverkehr geschlossen. Diese Routenführung erwies sich als Grund dafür, dass sich die USA und mehrere Europäische Länder aus der Finanzierung zurückgezogen hatten. 

Mit der Umgehungsstrecke soll der Erwartung Rechnung getragen werden, dass man von einem starken Anstieg des Aufkommens im Güterverkehr ausgeht.

Gründe für die Umgehungsstrecke

Für den Bau der Umgehungsstrecke werden von den Betreibern des Projektes zwei Hauptargumente in die Waagschale geworfen. Der eine Grund ist ein Umweltaspekt, der andere ein städtebaulicher. 

Als die Planungen für das Projekt im Jahr 2008 begannen, wurden 10 Millionen Tonnen Rohöl und Ölprodukte pro Jahr durch Tbilissi gefahren. Der Krieg zwischen Georgien und Russland mit Angriffen russischer Flugzeuge auf georgische Züge zeigte, welches Gefahrenpotenzial in solch einer Strecke steckt. Mit der Verlagerung des Öltransports aus der Innenstadt von Tbilissi heraus soll das Gefahrenpotenzial nun erheblich verringert werden. 

Aus städtebaulicher Sicht behindern die Bahnstrecke und die baulichen Anlagen der Bahn die weitere Entwicklung der Innenstadt von Tbilissi. Da sich die Stadt in einen Talkessel zwängt, sind Erweiterungsmöglichkeiten beschränkt. 

Durch den Wegfall der Bahnstrecke in der Innenstadt von Tbilissi ergeben sich 73 Hektar an Fläche, die umgenutzt werden können. Für die Grundstücke in attraktiver Lage in Tbilissi gab es bald eine ganze Reihe von Immobilienprojekten. Der bisherige Hauptbahnhof soll einer Shopping Mall weichen.

Pro und Contra

Ein Punkt, warum die Umgehungsstrecke gebaut wird, ist der Schutz von Bevölkerung und Bauten vor Unfällen. Kritiker werfen der Bahn allerdings vor, das Problem nur zu verlagern. Hier geht es insbesondere um die Führung der Trasse im eng besiedelten Stadtteil Awtschala in Tbilissi. Dort führt die Strecke über Brücken und dicht an der Besiedlung vorbei. Anwohner drückten bei öffentlichen Anhörungen ihren Argwohn darüber aus, dass ihre Sicherheit durch die neue Strecke bei einem Unfall nicht gewährleistet sei. 

Ein weiterer Punkt, der bemängelt wird, ist die Gefährdung des Wasserreservoir im Tbilisser Meer, das bei einem Unfall durch auslaufendes Öl gefährdet sei. Dies würde für mehrere Stadtteile in Tbilissi einen Ausfall der Versorgung mit Trinkwasser bedeuten. Zudem durchschneidet die Strecke einen Nationalpark. 

Schließlich bemängelten Kritiker des Projektes, dass man sich nicht die Mühe gemacht habe, alternative Routenführungen der Bahnstrecke zu prüfen. 

Kritiker bemängeln bei dem Projekt zudem, dass die direkte Verbindung für den Personenverkehr durch die Innenstadt aufgegeben werde. Internationale Gutachter verglichen diesen Punkt mit anderen Städten. So gebe man in London gerade sehr viel Geld aus, um eine bessere Verbindung der Kopfbahnhöfe zu erreichen, daher sei es unverständlich, dass man sich in Tbilissi in die andere Richtung entwickle.

Finanzen

Das Projekt war zu Beginn der Bauphase mit Kosten in Höhe von knapp 500 Millionen Dollar geplant. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und die Europäische Investment Bank (EIB) haben eine Unterstützung für das Projekt in Höhe von 290 Millionen Euro eingeplant, eine erste Rate von 100 Millionen Dollar wurde 2010 bereitgestellt.

Auswirkungen der Politik

Mit den Bauarbeiten wurde im Jahr 2010 begonnen. Nach dem Machtwechsel in Georgien im Oktober 2012 wurde das Projekt neu diskutiert. Die neue Regierung entschied im August 2013, die Arbeiten an der Bahnstrecke einzustellen. Im April 2016 wurde das Projekt wieder aufgenommen.

Teil der neuen Seidenstraße

Die Deutsche Bahn und die Georgische Bahn haben im Juli 2016 eine Absichtserklärung unterzeichnet, mit der die Strecke durch Georgien in ein internationales Netzwerk für Eisenbahnen eingebunden werden soll. Das Projekt ist Teil einer chinesischen Initiative zum Aufbau einer neuen Seidenstraße. Mit dem Projekt soll der Frachtverkehr gestärkt werden. In Zukunft soll es möglich sein, in weniger als zwei Wochen Container von China auf der Bahn nach Europa transportieren zu können.

Aufnahmen

Die hier gezeigten Aufnahmen entstanden im Mai 2016 auf dem Abschnitt der Strecke nördlich von Gldani. Sie geben den Abschnitt zwischen zwei Tunnels wider. Die Bauarbeiten hatten zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits mehrere Jahre geruht. Die Trasse der Bahn war zu diesem Zeitpunkt im aufgenommenen Abschnitt komplett fertig gestellt. Gleise waren noch nicht gelegt, die Oberleitung noch nicht hergestellt.

Weitere Informationen

Bahnstrecke Baku - Tbilissi - Poti bei WikiPedia