Georgien als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2018

Messerundgang von Thomas Berscheid

Im Jahr 2018 ist Georgien Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse. Für diesen ehrenvollen Zweck haben die Aussteller eine Menge Aufwand betrieben. Es gibt einen eigenen Pavillon, mehrere große georgische Verlagshäuser haben einen gemeinsamen Stand, an anderen Ständen gibt es georgische Bücher zu sehen und man kann Einblick in die georgische Kultur erhalten.

Georgien im Gast-Pavillon der Frankfurter Buchmesse

Der Gast-Pavillon befindet sich am Anfang der Messe im Forum neben der Halle 1. Zugang ist an beiden Seiten des Restaurants. Hier erwartet den Gast bereits der erste Kontakt zu Georgien: Es gibt Chatschapuri, und es gibt georgische Weine im Ausschank. Wenn man eine der beiden Treppen nach oben gefahren ist, beginnt Georgien mit einer großen Theke, auf der Bücher aus Georgien ausliegen, die man anlesen und kaufen kann. Dahinter die stilisierte Schrift. Hier beginnt Georgien. 

Wer nun durch eine der Türen tritt, der betritt eine andere Welt. Es ist dunkel, es ist trotz der vielen Menschen mystisch. Leise hört man im Hintergrund den schwebenden Klang georgischer Musik, die stundenlang durch den Pavillon schweift, ohne jemals aufdringlich oder langweilig zu wirken, die bei mir aber sofort den Eindruck hinterlassen hat, dass ich nach Hause gekommen bin. Der Pavillon ist groß, zumindest hat man diesen Eindruck in den frühen Minuten nach der Öffnung der Messe mit noch geringem Besucherandrang. Das Motto für Georgien ist ja: „Georgia made by Characters“ - und damit spielt man nicht nur auf die Charaktere der Autoren an, sondern auch auf die Besonderheit des georgischen Alphabets. Stilisierte Buchstaben des georgischen Alphabets ziehen sich durch die gesamte Messe, man findet sie auf den Schildern, auf den T-Shirts der Mitarbeiter der Messe, vor allem aber auf den Wänden und den Einbauten im Pavillon. Hier hat man sich zudem die Mühe gemacht, den Besucher nicht nur mit der Schrift und Musik zu empfangen. Kleinere Bauten aus gerundetem Holz führen den Besucher in die georgische Kultur ein. Der Recke im Tigerfell grüßt gleich am Anfang, die Supra, also die georgische Tafel, wird erklärt. Es gibt neben dem Haus mit der Musik zudem weitere kleinere Bauten, in denen Bücher stehen und in denen Fotografen ihre Sicht Georgiens präsentieren. Diese sollte man sich unbedingt ansehen.

Wichtig: bringen Sie auf jeden Fall Zeit mit! Denn schon hier haben Sie Gelegenheit, in die georgische Literatur einzutauchen. Mehrere Bücher stehen dazu bereit, und Sie haben sogar Platz, um sich zu setzen und einzutauchen. 
 

Im Pavillon selber gibt es zwei Bühnen, auf denen es Programm gibt. Dort präsentiert man georgische Autoren, Übersetzer und Übersetzerinnen, Dichter. Manchmal läuft einem sogar ein ehemaliger Präsident aus Georgien über den Weg. Als ich im Pavillon war, stellte Nana Ekvtimischwili gerade ihren Roman „Das Birnenfeld“ vor. Eine autobiografisch gefärbte Geschichte über ein Kinderheim in Georgien, neben dem sie aufgewachsen ist. Und dann der Hammer: Das Kinderheim lag in Gldani, also in dem Viertel, in dem der georgische Teil meiner Familie aufgewachsen ist, genau zu dieser Zeit... Das war das erste Mal an diesem Tag, dass ich aufrecht im Sitz saß. 

Dieses Interview fand komplett in deutscher Sprache statt. Andere Veranstaltungen hatten zumeist die Moderation in Deutsch, während der Gast in Georgisch sprach. Für die Unkundigen der jeweils anderen Sprache gab es Kopfhörer. Ich persönlich fand diese Lösung doch recht suboptimal – vielleicht hätte man den vorhandenen Simultandolmetscher besser auf den Lautsprecher legen sollen, denn bei vielen Veranstaltungen wie z. B. mit Nino Haratischwili waren doch sehr viele offensichtlich deutsche Zuschauer anwesend, mehr jedenfalls als ich Kopfhörer in der Schachtel gesehen hatte. 

Um es kurz zu machen: Diesen Pavillon sollte man unbedingt aufsuchen, entweder um sich ein Bild des unbekannten Landes zu machen oder um zurück zu kommen in die Heimat.

Stand der georgischen Verleger

Ein weiterer Hotspot der Präsentation Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse ist der gemeinsame Stand der georgischen Verleger in der Halle 5.0 auf Stand B100. Wie im richtigen politischen Leben liegt dieser georgische Stand in Schussweite des russischen Standes. 

Dort ist ebenfalls eine kleine Bühne aufgebaut, auf der es Gespräche mit Autoren und Übersetzern gibt. Aber dazu im nächsten Kapitel mehr, wenn es um die Jeansgeneration geht. 
Auf diesem Stand gibt es, ebenso wie im Gast-Pavillon, eine ganze Reihe von Büchern aus und über Georgien, die man sich ansehen kann. 

Präsent ist auf diesem Stand auch das Goethe-Institut in Tbilissi. Dessen früherer Leiter Stefan Wackwitz präsentierte die Schriftstellerinnen Ana Kordzaia-Samadaschwili und Claudia Rusch, die beide eine Hospitanz im jeweils anderen Land als das ihrer Heimat machten. Rusch erzählte, wie sie ihre Kindheit in der DDR als ständiges Gefühl, auf der Flucht zu sein, erlebt hatte und wie die Prägung aus dieser Zeit ihr half, sich in einem postsowjetischen Land zurecht zu finden. Kordzaia-Samadaschwili berichtete aus ihrer Hospitanz in Berlin, die sie als sehr beruhigenden Platz zum Schreiben erlebt habe. Das bei solch einer Messe Welten aufeinanderprallen, stellte ich übrigens fest, als eine Dame im Publikum fragte, was denn ein Blog sei. Claudia Rusch hatte für ihre Hospitanz im Goethe-Institut einen Blog mit ihren persönlichen Erlebnissen geführt. 

Zusätzlich zu den Veranstaltungen präsentiert das Goethe-Institut eine Auswahl der Arbeiten und Publikationen aus den letzten Jahren. Für mich persönlich sehr lesenswert war das Buch über Deutsche in Georgien. Dieses Thema habe ich, befeuert auch durch die Arbeiten des Instituts, auf der Georgienseite bearbeitet, denn über viele Besuche hinweg bin ich immer wieder auf deutsche Spuren in Georgien aus den verschiedensten Jahrhunderten gestoßen, und damit meine ich nicht die Fahrzeuge von BMW und Mercedes, die zahlreich ihren Lebensabend in Georgien verbringen. Die Spuren reichen ja schon bis in die Zeit von Königin Tamar und ihrem trinkenden ersten (russischen) Ehemann zurück, dessen Nachfolger ein Sohn von König Barbarossa hätte werden können. Ganz so weit reicht das Buch des Goethe-Instituts nicht zurück, aber bei diesem Werk gibt es zusätzlich zu den Informationen über Architekten und Wissenschaftler viele Interviews und Fallstudien von meist schon recht betagten Menschen, die ihre Wurzeln in Deutschland haben, die es aber z. B. durch die Flucht 1816 nach Georgien verschlagen hatte. Diese Zeitzeugen schildern ihr Alltagsleben, ihren Umgang mit Religion und Sprache. Sehr lesenswert! 

Überhaupt ist auch dieser Stand eine gute Gelegenheit, in die Welt der Literatur in Georgien abzutauchen.

Jeansgeneration mit Erklärung

Ein weiterer, sehr interessanter Beitrag war das Gespräch der Leiterin eines Verlags auf dem gemeinsamen Stand in Halle 5.0 mit zwei Größen der georgischen Literatur: Aka Mortschiladse und Dato Turaschwili. Beide sind in Georgien sehr bekannt, ihre Bücher erreichen nun auch einen Teil der deutschen Öffentlichkeit. 

Mich interessierte dabei in erster Linie David Turaschwili. Sein Buch „Jeansgeneration“ wurde in eine zweistellige Zahl von Sprachen übersetzt. Er sagte bei dem Interview, das in englischer Sprache geführt wurde, wie unterschiedlich diese Übersetzungen gewesen seien. Die Gründe lagen auf der Hand: Für die deutsche Übersetzung hatte der Wagenbach Verlag ihn darum gebeten, ein zusätzliches Kapitel hinzuzufügen, denn westdeutschen Lesern fehle der Hintergrund, warum es Jugendlichen in den 1980er Jahren in der Sowjetunion so wichtig erschienen war, eine Hose aus dem Westen zu besitzen. Bei Übersetzungen in andere Sprachen des ehemaligen Ostblocks hingegen sei es nicht notwendig gewesen, den historischen und gesellschaftlichen Kontext zu erläutern, weil die Leser die Verhältnisse der damaligen Zeit miterlebt hätten.

Mehr zur Geschichte der Flugzeugentführung lesen Sie hier.

Georgische Schrift und Küche

Es gab noch eine Reihe weiterer Entdeckung zu Georgien auf der Buchmesse zu machen: 

  • An einem Stand in Halle 4.1 gab es die Möglichkeit, sich in georgischer Kalligraphie zu üben. Hier konnte man nicht nur die georgische Schrift lernen, sondern auch versuchen, diese mit einem Tuschestift auf Papier Schönschrift zu zeichnen. 
  • Ein in Georgien entwickelter Chatbot gab Besuchern die Möglichkeit, sich direkt mit einer Maschine zu unterhalten. 
  • Für Nutzer elektronischer Medien gab es Schrifttypen als Monotype zu entdecken 
  • Und schließlich, diese Entdeckung blieb mir aus Zeitgründen leider verwehrt: Es gab eine Kochshow mit georgischen Gerichten. Das Chatschapuri im Restaurant am Eingang zum Gast-Pavillon schmeckte recht gut.

Bleibende Eindrücke von der Messe

Ich persönlich beschäftige mich seit 18 Jahren mit Georgien. Auf dieser Buchmesse habe ich mehrere Personen zum ersten Mal persönlich kennengelernt. Eine dieser Personen war Ekkehard Maaß, den ich vom Hörensagen seit 18 Jahren kenne. Endlich habe ich mal vor ihm gesessen. Dann eine frühere Botschafterin und einen weiteren Politiker. Viele Menschen, die man bei Fratzbuch schon mal in der Zeitlinie gesehen hat. 

Um es mit den Worten eines georgischen Autors auf dieser Messe zu sagen: Vor 20 Jahren mussten wir den Menschen erklären, dass es ein Land namens Georgien gibt, das nicht in den Südstaaten der USA liegt. Heute ist Georgien Gastland. Davon habe niemand vor ein paar Jahren überhaupt zu Träumen gewagt! 

Wenn auch Sie träumen und eintauchen wollen in die Welt in Georgien: Gehen Sie auf die Messe!

Links zu Georgien auf der Buchmesse Frankfurt 2018